In der achten Jahrgangsstufe waren sie schon in der Gedenkstätte Bergen-Belsen, an dem Ort, an dem sich in der Zeit des Nationalsozialismus ein Konzentrationslager befand. Dort sind mindestens 52.000 Menschen zu Tode gekommen. Überhaupt wissen die Schüler schon viel über das, was im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte passiert ist. Doch ein Baustein fehlt ihnen: die lokale Geschichte. Wurden auch Menschen aus Korschenbroich verfolgt, deportiert und ermordet? In einem freiwilligen Geschichtskursus gehen einige Realschüler dieser Frage auf den Grund - und zwar mit Hilfe des Korschenbroicher Stadtarchivs, das ihnen diverse Unterlagen zur Verfügung stellt. Das Ziel der Schüler: eine Bildungs-App, mit der Nutzer bald Schicksale der Menschen jüdischen Glaubens aus dem Stadtgebiet erkunden können.
Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Schule und Archiv ist eine vom Land NRW geförderte Bildungspartnerschaft, durch die Schüler Zugang zu neuen Lernwelten erhalten sollen. Das App-Projekt zum Thema Judenverfolgung ist eines der größten, die bisher in Korschenbroich angelaufen sind. Parallel dazu beschäftigt sich das Gymnasium mit der Zuwanderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Für beide Schulprojekte hat die Stadt jetzt Fördergeld vom Land beantragt.
"Die Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Stadtarchiv haben sich bewährt", stellte Kulturamtsleiterin Michaele Messmann im Ausschuss für Kultur, Familie, Soziales und Senioren zufrieden fest. Das Realschul-Projekt wird mit 2250 Euro gefördert, für die Stadt bleibt ein Eigenanteil von zehn Prozent, also von 250 Euro. Für das Gyko-Projekt "Migration und Integration in Korschenbroich seit 1945" wurden 3600 Euro als Förderung vom Land bewilligt. Hier steuert die Stadt als Eigenanteil 400 Euro bei. Die Kooperationsaktivitäten wurden vom Fachausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen. Das Geld soll unter anderem eingesetzt werden, um Tablets anzuschaffen, mit denen die Schüler etwa Infos in die App "Biparcours" einpflegen können, die die Realschüler für ihr Projekt verwenden möchten.
Seit Start des Pilotprojekts im November vergangenen Jahres haben sie schon einige Infos gesammelt und etwa mit Berichten des Korschenbroichers Alfred Winter gearbeitet, der den Holocaust überlebt hat. Er zählt zu den insgesamt 56 Menschen jüdischen Glaubens, die Anfang der 1930er Jahre im Stadtgebiet gelebt haben sollen. Viele dieser Menschen sind deportiert und in Konzentrationslagern ermordet worden. "Es ist interessant, etwas über die Schicksale der Menschen zu erfahren. Das ist eine Spurensuche in der Vergangenheit", sagt Schülerin Sandra Lange. Im Vorfeld hätten auch die 29 Stolpersteine, die in Korschenbroich und Glehn verlegt worden sind, Fragen aufgeworfen. "Die wollen wir jetzt klären", sagt Leonie Brückner, die sich etwa mit dem Schicksal von Rosalie und Hermann Schwarz auseinandersetzt, die 1942 in Theresienstadt umgebracht worden sind.
Der lokale Bezug macht die Geschichte für die Schüler deutlich greifbarer. Das ist es auch, was das Stadtarchiv Korschenbroich bewirken möchte. Kulturamtsleiterin und Archivarin Michaele Messmann: "Die Schüler merken, dass es um ihre Heimat geht." Ihr ist es wichtig, dass kulturelle Bildung weiterhin in die Schulen getragen wird. Schließlich seien die Jugendlichen, die heute das Arbeiten mit Quellen lernten, Kunden von morgen. Zur Zusammenarbeit zählen auch Besuche im Archiv an der Don-Bosco-Straße 6, in dem allein 2000 Akten und etliche Fotos aus der Zeit bis 1945 lagern. Laut Messmann ist die vom Land organisierte Bildungsinitiative kürzlich bis 2025 verlängert worden.